#Partizipationsdebatten

Wie wir politische Partizipation besser fördern können als durch ein bedingungsloses Grundeinkommen

von Dr. Jan Eichhorn

Viele Befürworter*innen eines bedingungslosen Grundeinkommens (BGE) führen als eines der Pro-Argumente für ihre Position das Ziel an, mehr Menschen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Das gilt insbesondere auch für politische Beteiligungsformen. Tatsächlich ist es ein großartiges Ziel, gesellschaftliche Ungleichheit im Bereich der politischen Partizipation, die nach wie vor durchschnittlich eher von wirtschaftlich besser situierten Personen bestimmt wird, zu reduzieren. Allerdings glaube ich nicht, dass ein BGE dafür ein geeigneter Ansatz ist, da es grundsätzlich individualistisch ansetzt, wo wir gemeinschaftliche Herangehensweisen brauchen.

Der Kernmechanismus, durch den ein BGE politische Partizipation verbessern könnte, ist plausibel. Wenn Menschen eine finanzielle Grundsicherung haben, können sich auch jene, die es wollten, aber es sich sonst nicht leisten könnten, politisch engagieren. Darüber hinaus könnte ein gesichertes Einkommen Menschen die Entscheidung erleichtern, weniger zu Arbeiten und mehr Zeit in ein gesellschaftliches Engagement zu investieren. Es würde sicherlich eine Reihe von Personen geben, bei denen nach einer BGE-Einführung genau diese Effekte zu beobachten wären. Doch die Reichweite der Veränderung wäre wahrscheinlich begrenzt, denn meines Erachtens setzt das BGE an der falschen Stelle an.

Fundamental ist ein solches Grundeinkommen ein Ansatz einer stark individualisierten Gesellschaft. Weil Menschen, die arbeiten, unzureichend bezahlt werden und viele zudem gar keinen Zugang zu einem sinngebenden Arbeitsmarkt haben und staatliche Leistungen eingeschränkt und an harte Bedingungen geknüpft sind, soll ein BGE als Korrektiv fungieren. Es soll also Individuen bessere Chancen und ein breiteres Spektrum an Möglichkeiten in unserer kapitalistischen Gesellschaft bieten. Doch was wäre, wenn Arbeit besser bezahlt würde, Jobs, die sozial als wichtig bewertet, jedoch nicht vom Markt bereitgestellt werden, durch den Staat geschaffen würden und Leistungen für jene, die nicht arbeiten, nicht nur das Existenzminimum sicherten?

Einige Kritiker*innen des BGE sehen in diesem Instrument eine Unterstützung vor allem für etablierte Unternehmen, die Angestellte nicht ausreichend bezahlen und für Wirtschaftszweige, die nicht den Gemeinwohlansprüchen einer sozialen Marktwirtschaft gerecht werden. Für mich ist das einer der wichtigsten Kritikpunkte, der sich auch in Fragen zu politischer Beteiligung widerspiegelt. Wenn sich an den Arbeitsmarktstrukturen nichts ändern muss und staatliche Gemeinschaftsleistungen die Situation von Menschen verbessern, dann ist das am Ende eine indirekte Subvention von Unternehmen, die eigentlich die Verantwortung für eine werteorientierte Entlohnung haben sollten. Gleiches gilt für Partizipation: statt strukturelle Probleme für Individuen zu minimieren, sollten wir die Ursachen diskutieren und angehen.

Was Gemeinwohlansprüche sind und welche Jobs als sozial wichtig gelten, ist natürlich umstritten. BGE-Befürworter*innen mögen hier entgegnen, genau deshalb brauchen wir ein BGE – damit Menschen sich selbstständig entscheiden und neue gesellschaftliche Beiträge leisten können. Das ist nachvollziehbar. Doch wiederum ist es individualistisch und gerade wenn es um politische Partizipation geht, greift das für mich zu kurz. Um die Zukunft einer Gemeinschaft zu gestalten, reicht es nicht aus, dass wir Individuen befähigen und dann hoffen, dass damit genug positives geschieht. Wir sollten gesellschaftliche Probleme von vornherein gemeinschaftlich denken.

In Bezug auf die bestehende Ungleichheit in politischer Teilhabe heißt das tatsächlich, dass wir sicherstellen müssen, dass Menschen in allen Arbeitsfeldern und außerhalb von Arbeit eine wirtschaftliche Grundlage haben, die stark genug ist. Das allein ist aber keine genügende Begründung für ein BGE, denn das kann eben auch mit einer Kombination von höheren Löhnen, staatlicher Schaffung sozial wichtiger Arbeit und einem wohlwollenden Wohlfahrtsstaat unproblematisch erreichen. Wenn wir das haben und dann über politische Partizipation sprechen, dann ist es aber irreführend auf der Individualebene zu beginnen. Politische Willensbildung ist immer ein gemeinschaftlicher Prozess. Das ist auch gut so, denn so können wir begründen, warum wir Entscheidungen treffen, was wir beispielsweise in einem Staat als sozial wichtig ansehen und uns darauf einigen, was gefördert werden sollte.

An diesen Fragen nehmen im Moment Personen aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht mit gleichem Einfluss teil. Um das zu beheben, sollten wir neben den notwendigen wirtschaftlichen Fragen aber vorranging darüber nachdenken, welche strukturellen Barrieren zu breiterer politischer Beteiligung bestehen und insbesondere dabei auch nicht-wirtschaftliche Barrieren berücksichtigen. Denn wenn wir diese abbauen können, dann muss nicht jedes Individuum einzeln versuchen, diese zu überwinden (was effektiv nahe am BGE-Ansatz liegt). Der Fokus auf gemeinschaftliche Veränderung ist im Partizipationsbereich das Äquivalent, was in der Sozialpolitikdebatte dem BGE als Universal Basic Services (UBS) oft entgegengesetzt wird. Der Ansatz beruht auf der Grundidee, dass Menschen finanzielle Schwierigkeiten gar nicht überwinden müssten, wenn sie keine hohen Kosten für die wichtigsten gesellschaftlichen Aufgaben hätten. Statt beispielsweise mehr Geld in die Betreuung der Kinder stecken zu können, um anderen Aktivitäten nachzugehen, wäre das unnötig, wenn umfangreiche Betreuung überall kostenfrei und unbegrenzt verfügbar wäre.

Entscheidend ist dabei, dass der Verteilungseffekt auch größer wäre. Das BGE kann nur einmal ausgegeben werden. Für jene, die aber mit vielen Einschränkungen monetär zu kämpfen haben, wären es bedeutsamer, wenn keine dieser Einschränkungen bestünden. Für politische Beteilung bedeutet das also sowohl die wirtschaftlichen Grundlagen von Menschen sicherzustellen, als auch darüber hinausgehend die Vielzahl struktureller Barrieren abzubauen. Wirtschaftliche Aspekte sind dabei nur eine Komponente. Öffentlicher Personennahverkehr (zum Beispiel im ländlichen Raum) wird nicht dadurch geschaffen, dass ein Individuum mehr Geld auf dem Konto hat, wohl aber durch eine gemeinschaftliche Bereitstellung. Die Organisationstrukturen von vielen Vereinen oder Parteien sind oft so angelegt, dass sie auf Präsenz setzen, bestimmte Verhaltensweisen einfordern und eine spezifische Gesprächskultur fördern. Nichts davon wird durch die finanzielle Stärkung von Individuen verbessert. Strukturelle Änderungen, formal und informell, können nur auf einer gemeinschaftlichen Ebene stattfinden, wenn wir Ungleichheiten abbauen wollen.

Das Ziel, die Vielzahl an Stimmen in politischen Beteiligungsprozessen zu erhöhen, teile ich mit vielen BGE-Unterstützer*innen. Ein BGE hätte darauf wahrscheinlich sogar einen kleinen positiven Effekt. Wir können aber aus meiner Sicht deutlich mehr erreichen, wenn wir die wirtschaftliche Grundlage von Menschen mit anderen Mitteln innerhalb und außerhalb des Arbeitsmarkts verbessern (mit einer viel stärkeren Verantwortungsübernahme auch von Unternehmen) und darüber hinaus gemeinschaftlich denken. Ähnlich wie beim UBS-Ansatz sollten wir die wichtigsten strukturellen Barrieren zu politischer Beteiligung direkt und für alle beseitigen und dann in einer größeren Gemeinschaft diskutieren, wie wir unsere Gesellschaft gestalten wollen.

Dr. Jan Eichhorn hat d|part mit gegründet und ist Partner und Forschungsdirektor des Think Tanks. Er koordiniert die Entwicklung und Durchführung von d|parts Forschungsprojekten und organisiert die Koordination mit externen Partnern. In seiner Forschung benutzt er hauptsächlich große repräsentative Umfragedaten, um die politischen Ansichten von Menschen und deren Beteiligungsverhalten zu untersuchen. Neben seiner Arbeit bei d|part ist Dr. Jan Eichhorn auch Dozent (Senior Lecturer) in Social Policy an der University of Edinburgh